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Der Willow-Kongress in Bremen

Ein Kommentar von Bernhard Kaiser

Wieder hat ein Willow-Kongreß stattgefunden vom 9. bis 11. November in Bremen. Zielgruppe waren diesmal Gemeindeleiter. Es sprach nicht nur Bill Hybels, der Gründer der Willow-Creek-Gemeinde bei Chicago, sondern auch Rick Warren, der Leiter der Saddleback-Gemeinde in Kalifornien und Autor des Bestsellers Leben mit einer Vision (The Purpose Driven Life). Man muß diesen beiden Machern in Sachen Kirche bescheinigen, daß sie erfolgreich sind, jedenfalls aus der Sicht der Menschen, und daß man, wenn man Erfolg haben will, bei ihnen etwas lernen kann. Das dürfte auch der Grund gewesen sein, daß 5400 Besucher an diesem Kongreß teilnahmen.

Daß Warren Biblisches, Religiöses und ganz Menschliches miteinander vermischt, ist die andere Seite der Medaille. Sein Evangelium lautet: Wenn Du im Plan Gottes für Dein Leben lebst, wirst Du groß. Zu Gottes Plan gehört eine ziemlich konservative christliche Ethik, als Ziel die Christusähnlichkeit, aber auch der Dienst am Nächsten in der Liebe. Alles klingt so ganz biblisch, und der unbedarfte Pietist denkt bei sich: Genau, das ist es! Ich muß mich wieder auf Gottes Ziele für mein Leben konzentrieren. Daß er dabei auch noch einen Gewinn an Lebensqualität erfährt, kann ja nicht gegen den Willen des Schöpfers sein. Also: christliche (Lebens-) Beratung à la Saddleback für eine bessere Rendite: Der fromme Mensch managt sein Leben und der Leiter seine Gemeinde und beide erreichen damit ihre Bestimmung ("purpose").

Ist das authentisches Christsein? Welche Rolle spielt dort eigentlich das Evangelium? In den Büchern von Hybels und Warren scheint diesbezüglich alles klar zu sein: Du mußt Jesus annehmen, dann empfängst du Vergebung deiner Sünden, und dann beginnt für dich das Erfolgsprogramm.

Aus reformatorischer Sicht ist dazu zu sagen:

Wenn Menschen der Meinung sind, sie könnten sich dadurch, daß sie ein Gebet sprechen und "Jesus annehmen", ins Heil stellen und so die Weiche umstellen, die sie von der Verlustschiene weg auf die Erfolgsschiene bringt, dann werden wohl die antiken und immer wieder aktuellen Ideale des "angenehmen Lebens" (gr.: eu zen) verfolgt, aber die Rettung des Menschen zum ewigen Leben sicher nicht. Mehrere wesentliche Dinge, die zur Rettung im biblischen Sinne gehören, fehlen oder spielen keine tragende Rolle:

(1) Dem "Hörer" in Willow Creek und Saddleback wird nicht das Gesetz Gottes gepredigt, um seine Sünde aufzudecken und um ihm den Zorn Gottes zu zeigen. Ihm wird stattdessen vorgetragen, daß er sich mit seiner Entscheidung für Jesus aus seiner mißlichen Lage befreien und ins Heil stellen könne. Die Entscheidung ist Mittel zur Selbstrettung und tritt an die Stelle des Glaubens.

(2) Das stellvertretende Werk Jesu Christi ist nur Ermöglichungsgrund für die Verbesserung des Menschen, nicht jedoch der Ort, an dem Gott den Menschen mit sich selbst versöhnt hat und der konsequenterweise im Mittelpunkt der Verkündigung stehen muß. Jesus hat vielmehr die Funktion des Lebensberaters, der gute Ratschläge gibt, die man in die Tat umsetzen muß, um dem von Gott bestimmten Sinn des Lebens zu entsprechen.

(3) Daß der Mensch aus Glauben vor Gott gerecht wird, kommt allenfalls als Floskel am Rande vor, spielt aber für das Erfolgsrezept keine Rolle. Der Mensch wird nicht zum Glauben an Christus und einem Leben aus Glauben gerufen, sondern zu leidenschaftlicher Hingabe und guten Taten.

(4) Dem Christen, der in der postmodernen Gesellschaft eher an den Rand gedrängt wird, wird das Gefühl gegeben, mit der von Warren verkündeten "Vision" (engl.: purpose = Zweck oder Ziel) nicht nur sein eigenes Leben zu gewinnen, sondern durch seine diakonische Tätigkeit auch gesellschaftlich wieder Bedeutung zu gewinnen. Er gewinnt Ehre bei den Menschen. An der Ehre Gottes, die der sündige Mensch Gott nur darbringen kann, indem er den Zusagen Gottes glaubt, geht er vorbei.

Ist schon die starke Orientierung an der menschlichen Tat typisch amerikanisch (ich sollte aus biblischer Sicht besser sagen: typisch menschlich), so wird hier das Evangelium mißbraucht, um den Menschen groß herauskommen zu lassen. Das entspricht durchaus dem Geschmack der religiösen Masse, die es mit hohen Verkaufszahlen honoriert. Die biblische Perspektive, daß wir arme und verlorene Sünder sind, die Zorn und Verdammnis verdient haben, und durch den Glauben an Christus gerettet werden, wird von frommer Lebensberatung verdeckt. Biblische Aussagen werden zu einem humanistischen Potpourri zusammengestellt, das der Stoßrichtung nach ein anderes Evangelium ergibt. Wie Paulus über solche Lehrer denkt, kann man in Galater 1,8 nachlesen.

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